Nach der sehr interessanten Fahrpause im ehemaligen Stalingrad (Wolgograd) war unser Ziel die Ukraine. Das Problem war nur, dass hier im Süden massive Unruhen mit bewaffneten Soldaten und Milizen sind. Die Russen haben sich die Krim wieder angeeignet und bauen nun eine 19km lange Brücke als Verbindung. Diesen doch viel kürzeren Weg sollte man auf keinen Fall wählen (wurde uns von einer guten Quelle mitgeteilt), da nicht sichergestellt ist, dass man die offiziellen Stempel (notwendig für die spätere Ausreise) auch bekommt. Da wir eben mit dem Einreiseprocedere in diesem Land nicht vertraut sind, wäre es uns auch nicht möglich gewesen, den Stempel zu prüfen.
Deshalb ging die Reise dann erstmal nach Norden und dann erst wieder in den Westen. Die Tageskilometer von Wolgograd nach Kharkiv (Ukraine) waren über 950km, gestartet sind wir wie immer ganz früh am Morgen. Die Natur im Südwesten Russlands war voll geil! Die Straße wurde mit jedem Kilometer etwas besser und auch die Dörfer sahen sehr wohnlich aus. Hier würde es auch mir gefallen. Auch die riesigen Agraflächen und die dicht bewachsenen Wälder waren für uns ein neuer Anblick. Bis dato hatten wir viel karges Land gesehen.
Nach 14h Fahrt inklusive kurzen Tankstopps hatten wir die Grenze erreicht. Die russische Grenzbeamtin war sehr unfreundlich und abweisend zu uns. Nach fast zwei Stunden und mit viel Unterstützung weiterer Grenzbeamter hatten wir unsere Reisepässe wieder in unseren Händen. Es hatte sich heraus gestellt, dass ihr Ärger auf ihrer eigenen Unwissenheit, wie sie mit Deutschen und ihren Motorrädern umgehen soll, basierte. Nach der Bearbeitung unserer Ausreisepapiere konnten wir ein leichtes Grinsen mit einem Lächeln bei der Grenzerin entdecken.
Die Einreise in die Ukraine dagegen war reibungslos und sehr angenehm doch gleich nach unserer Einreise wurden wir von 2 korrupten Polizisten angehalten. Diese beiden ukrainischen Polizeibeamten wollten uns zwei gefakte Alkoholtests unterjubeln; für Jörg sollten es 0,24 Promille sein, ich hätte 0,33 Promille. Glücklicherweise konnte ich das Vorhaben schnell durchschauen, da ich das Gerät der Marke Dräger kenne. Die Jungs hatten uns blasen lassen und dann einen alten Wert aus dem Speicher des Alkomaten gedruckt. Nach starkem Widerstand und etwas körperlicher Bedrängnis meinerseits zum Polizeibeamten wollte dieser uns einfach nur noch loswerden.
Dies war unsere erste wirkliche negative Erfahrung auf dieser nunmehr 13.500km langen Reise.
Tag 26 war unsere Reise nach Kiew. Für mich 645 Tageskilometer und 818 KM für Jörg. Die Reise führte uns von Kharkiv nach Kocherovo über die Millionenmetropole Kiew. Nach dem gestrigen Vorfall hatten wir die Lust auf dieses Land verloren, doch die Fahrt durch Kiew war sehr beeindruckend. Die Stadt muss ungefähr 60km lang sein, die wunderschön erhaltenen alten Häuser waren klasse. Trotz der Rushhour kamen wir recht flott wieder aus der Innenstadt in Richtung Westen.
Gegen 15:30 fing dann der Schlamassel an ????!!!!!!!
Andrea, Meine KTM 690, die bereits in Kiew zickig war, hat auf der E40 ganz aufgegeben. Bei einem Überholmanöver ist der Vortrieb weg gewesen und ich musste auf den Standstreifen ausweichen. Grund dafür war neben der defekten Kupplung das verschliessene RK Ritzel. Die erste Diagnose war natürlich die defekte Kupplung. Mit etwas Werkzeug war die schnell getauscht, doch nach dem Einbau war zwar der Druckpunkt wieder gut, doch immer noch kein Vortrieb. Schnell die Welle und das Ritzel begutachtet und den Schaden erkannt. Shit, wo soll man hier ein Ritzel besorgen. Jörgs Bike wurde abgesattelt und er machte sich auf den Weg nach Kiew. Bei Jörg war die Aktion bestimmt nicht langweilig. Er hatte bei seiner Rückkehr 170km mehr als ich auf seinem Wegzähler und eine kleine Weltreise durch Kiew – von einem Motorradshop zum nächsten – hinter sich. Doch ich hatte Bauchschmerzen und saß ganz alleine ohne Telefon und Internet auf diesem versifften Parkplatz. Um mich rum unser gesamtes Gepäck. Ich hätte nicht mal Lust hier Musik auf dem MP3 Player zu hören, bei jedem Bike das kam schaute ich auf, doch Jörg lies sich Zeit. In Gedanken stand mein Zelt schon hier auf dem Parkplatzboden. Was für ein Nachmittag. Gegen 20:00 Uhr traf er dann ein, mit einem neuen Ritzel, direkt von KTM. Er hatte dies von dem KTM Shop Kiew bekommen, die Jungs sind für ihn extra eine Stunde länger im Laden geblieben. Das ist der einzige KTM Händler in der Ukraine, mit Hilfe von Google konnte Jörg den Laden finden und ein Ritzel telefonisch erfragen.
Nach dem ganzen hin und her war der Tag im Sack! Eine große Weiterfahrt war nicht mehr möglich; wir waren beide voll platt! Also auf zur Hotelsuche. Beim Hotel angekommen war auch ein Zimmer frei, doch Bargeld hatten wir keines mehr. Naja, kein Problem, dafür gibt es doch eine Kreditkarte. An die Wand geschmissen, auch das Kartenlesegerät wollte nicht. Also auf zum nächsten Geldautomaten, dieser war nur etwa fünf Kilometer entfernt, doch der stürzte beim Abhebevorgang einfach ab und die Geldkarte war einfach weg.
Nach einer Weile, einer gefühlten Ewigkeit, kam die Karte wieder ans Tageslicht. Windows XP war wieder hochgefahren. Jetzt zum nächsten Automaten, mit einem ganz mulmigem Gefühl, und dann nur umgerechnet ca. 70 Euro als Höchstbetrag bekommen. Also Zimmer war sicher!
Noch kurz einen Happen essen und duschen dann ab in die Kiste, da wir am Morgen wieder um 5:30 starteten!
Am Tag 27 mit 742km Tageskilometer von Kocherovo nach Stakcin mit dem Ziel der Grenzübergang in die Slowakei. Der Vormittag war etwas öde und langweilig zum Fahren in der Ukraine waren wir vorwiegend auf zweispurigen Straßen unterwegs. Gegen Mittag sind wir durch traumhafte Täler und Gebirge gefahren mit einer absolut traumhaften Landschaft und Natur!
Entlang der polnischen Grenze wurden wir urplötzlich hinter einer Kurve von einem ukrainischen Soldaten an einem Grenzvorposten gestoppt. Passkontrolle und das allgemeine Bla Bla. Wir fragten nach der ‚eigentlichen‘ Grenze und er verwies uns immer wieder auf die polnische Grenze, doch wir wollten wissen, wie weit es zur ukrainisch/slowakischen Grenze ist. Naja, verwundert fuhren wir wieder. Ab hier ging es abwärts, fast keine Straße mehr, selbst gebaute Traktoren und Pferdekutschen. Die Häuser waren sehr baufällig und es sah einfach unwirklich aus. Die Grenzüberquerung verlief reibungslos, die Papierabwicklung war ok, nur der Zoll hat uns etwas warten lassen, gab dann aber grünes Licht.
Hier gab es wieder Euro und wir waren in der EU!!!
Am letzten Fahrtag, Tag 28 mit wahnsinnigen 1188 Tageskilometer führte uns der Weg von Stakcin bis zu SWT-SPORTS nach Üchtelhausen.
Wir hatten nicht geplant auf einem Rutsch durch zu fahren, aber da wir keine Zimmer bekommen hatten und es hier massiv regnete, hatten wir gehen 19:00 entschieden, dass wir bis Üchtelhausen durchblasen!
Am Anfang des Tages waren wir auf ganz ganz kleinen Straße unterwegs, das Panorama auf das Tatragebirge war total klasse. Ab der Tschechischen Republik wurden die Straßen zunehmend größer und die Durchschnittsgeschwindigkeit höher. Ab Pilsen ging’s über die Autobahn gen Heimat. Ankunft 0:00 Uhr nach über vier Wochen Abenteuer:
26 Fahrtage mit einem Tagesschnitt von 610km und einer Gesamtstrecke von 15880km und jeder Kilometer war es wert – eine Motorrad-Abenteuerreise, die unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen haben.